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Wer studiert Höheres Lehramt an berufsbildenden Schulen in gewerblich-technischen Fachrichtungen?

Lehrpersonen für berufsbildende Schulen werden an der Technischen Universität Dresden – als einzigem Standort in Sachsen – seit mehr als 90 Jahren ausgebildet. Deutschlandweit werden hier die meisten Lehrerinnen und Lehrer für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen ausgebildet. Zum Wintersemester 2017/2018 wurden entsprechend 192 Studienanfänger immatrikuliert und damit noch einmal deutlich mehr als in den Vorjahren. Zudem zeichnet sich der Studiengang an der TU Dresden durch eine große Zahl studierbarer Fachrichtungen und Fächer aus.

Der akute Lehrermangel, der derzeit nicht nur in Sachsen in großem Maßstab zur Einstellung nicht grundständig ausgebildeter Lehrpersonen (sogenannter Quer- und Seiteneinsteiger) führt, geht dennoch auch an den berufsbildenden Schulen nicht vorbei. Unabhängig von dem aktuell sehr hohen Lehrerbedarf, der seine Ursachen letztlich in einem abrupten Generationenwechsel in der Lehrerschaft hat, gibt es im Höheren Lehramt an berufsbildenden Schulen – und hier besonders in den gewerblich-technischen Fachrichtungen – schon seit Längerem ein Nachwuchsproblem. Das Staatsministerium für Kultus rechnet damit, dass 12 Prozent des Einstellungsbedarfes an sächsischen Schulen bis zum Jahr 2025 auf berufsbildende Schulen entfallen. Der Anteil des Höheren Lehramts an berufsbildenden Schulen an allen Lehramtsstudierenden in Sachsen beträgt jedoch nur sechs Prozent (Stand Wintersemester 2016/17, Quelle SMK 2017). Während die Nachfrage nach den personenbezogenen beruflichen Fachrichtungen (Gesundheit und Pflege, Sozialpädagogik sowie Lebensmittel-, Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft) groß ist, gibt es in den gewerblich-technischen Fachrichtungen ein erhebliches Rekrutierungsproblem. Die jährlichen Studienanfängerzahlen in den Fachrichtungen Bautechnik, Labor-/Prozesstechnik, Elektrotechnik/ Informationstechnik, Farbtechnik/Raumgestaltung/Oberflächentechnik, Holztechnik und Metall-/Maschinentechnik sind fast ausnahmslos einstellig.

Bei der Suche nach Maßnahmen, um die Studierendenzahlen in diesen „Mangelfächern“ zu erhöhen, ist es wichtig, einige Charakteristika der angehenden Berufsschullehrkräfte zu kennen: Was unterscheidet Studierende des Höheren Lehramts an berufsbildenden Schulen von Studierenden allgemeinbildender Lehrämter? Was unterscheidet Studierende personenbezogener Fachrichtungen und Studierende gewerblich-technischer Fachrichtungen? Die Lehramtsstudierenden der TU Dresden werden jeweils zu Beginn des Studiums unter anderem zu der Motivation und den Umständen ihrer Studienwahl befragt. Im Wintersemester 2017/18 beteiligten sich rund 140 Studierende des Höheren Lehramts an berufsbildenden Schulen an der Fragebogenstudie (Teilnahmequote: 73,4 Prozent).

Ergebnisse der Befragung

Die Studierenden des Höheren Lehramts an berufsbildenden Schulen unterscheiden sich von den Studierenden der anderen Lehrämter dadurch, dass sie zu Studienbeginn im Durchschnitt etwas älter sind und sich erst vergleichsweise spät für den Lehrerberuf entschieden haben. Lehramtsstudierende für Grundschule, Oberschule und Gymnasium entschließen sich mehrheitlich bereits während der Schulzeit, den Lehrerberuf anzustreben. Studierende des beruflichen Lehramts entscheiden sich dagegen häufig erst während einer Berufsausbildung oder Berufstätigkeit für das Lehramtsstudium. Auffällig ist auch, dass viele Studierende des beruflichen Lehramts in ihrer eigenen Schulzeit ein Berufliches Gymnasium (29,1 Prozent) und/oder eine Berufsschule bzw. Berufsfachschule (29,8 Prozent) besucht haben. Sie kennen also häufig die Orte ihrer angestrebten Berufstätigkeit.

Während sich also in der Bildungsbiografie der Studierenden des beruflichen Lehramts einige Unterschiede zu den anderen Lehrämtern zeigen, überwiegen bei der Berufswahlmotivation hingegen die Gemeinsamkeiten. Intrinsische, pädagogische Motive (Arbeit mit Kindern und Jugendlichen; Mitgestaltung der Zukunft von Kindern und Jugendlichen; Aufhebung sozialer Benachteiligung etc.) sind bei Studierenden aller Lehrämter stark ausgeprägt. Extrinsische Motive, wie das Streben nach beruflicher Sicherheit spielen ebenfalls eine Rolle, dominieren die Studienentscheidung aber nicht. Bei den Studierenden des Höheren Lehramts an berufsbildenden Schulen sind ähnlich wie bei Studierenden des gymnasialen Lehramts die pädagogischen Motive etwas schwächer ausgeprägt zugunsten des Interesses und der Begeisterung für die studierten Fächer und Fachrichtungen.

Die sehr unterschiedliche Nachfrage nach personenorientierten Fachrichtungen und gewerblich-technischen Fachrichtungen im beruflichen Lehramt legt nahe, die Studierenden dieser beiden Fächergruppen getrennt zu betrachten. Dabei zeigen sich nicht nur in der Studierendenzahl erhebliche Unterschiede. Erstsemester in personen-bezogenen Fachrichtungen haben deutlich häufiger bereits Erfahrungen in dem Berufsfeld gesammelt, das mit der studierten Fachrichtung korrespondiert – sei es in einem Praktikum, einer Berufsausbildung, einer Berufstätigkeit oder durch das Profil eines Beruflichen Gymnasiums. Nur 22,5 Prozent der Studierenden personenbezogener Fachrichtungen beginnen das Studium ohne einschlägige Erfahrungen. Von den Studierenden gewerblich-technischer Fachrichtungen hat dagegen mehr als jeder dritte Studienanfänger noch keine Erfahrungen im Berufsfeld (35,5 Prozent). (Abbildung 1)

Unter den Studierenden personenbezogener Fachrichtungen haben einige ihre Entscheidung, Lehrer an einer berufsbildenden Schule zu werden, erst während der Ausbildung (28,7 Prozent) oder während der Ausübung eines ersten Berufes (11,9 Prozent) getroffen. Beispielsweise waren Studierende der Fachrichtung Gesundheit und Pflege vor Studienbeginn in medizinischen und Pflegeberufen tätig. Bei den Studierenden gewerblich-technischer Fachrichtungen ist dieser konkrete Bezug zu einem bestimmten Berufsfeld deutlich seltener (6,3 bzw. 3,1 Prozent). Studierende dieser Fachrichtungen haben den Wunsch, Lehrer zu werden, meist bereits in der Schulzeit oder unmittelbar nach dem Abitur entwickelt. (Abbildung 2)

Die geschilderten Befunde legen die Vermutung nahe, dass die Identifikation der Studierenden gewerblich-technischer Fachrichtungen mit dem angestrebten Beruf insgesamt geringer ist als bei den Studierenden personenbezogener Fachrichtungen. Diese Vermutung wird bestätigt, wenn man nach der Zufriedenheit der Studierenden mit ihren Studienfächern fragt. 39,4 Prozent der Studierenden gewerblich-technischer Fachrichtungen geben an, nicht ihre bevorzugte Fächerkombination zu studieren, während in der personenbezogenen Fachrichtung dieser Anteil um rund zehn Prozentpunkte geringer ausfällt. Diese Unzufriedenheit muss sich jedoch nicht zwingend auf die gewerblich-technische Fachrichtung beziehen, sondern kann auch das zweite Fach (i. d. R. ein allgemeinbildendes Fach) betreffen. Der Unterschied zu den Studierenden der personenbezogenen Fachrichtungen, bei denen „nur“ 29,4 Prozent mit der Fächerkombination unzufrieden sind, ist jedoch auffällig. Es ist damit zu rechnen, dass einige der Immatrikulierten, die mit ihrem Studienplatz unzufrieden sind, im Studienverlauf einen Fachwechsel anstreben, so dass den gewerblich-technischen Fachrichtungen einige der bereits raren Studierenden verloren gehen dürften.

Die TU Dresden bemüht sich bereits seit mehreren Jahren, die Studierendenzahlen in den gewerblich-technischen Fachrichtungen zu erhöhen, beispielsweise durch das innovative Studienmodell KAtLA („Kooperative Ausbildung im technischen Lehramt“), bei dem die Studierenden parallel zu ihrem Lehramtsstudium eine betriebliche Berufsausbildung absolvieren. Die jüngsten Zuwächse bei den Studienanfängerzahlen im Höheren Lehramt an berufsbildenden Schulen gehen allerdings überwiegend auf das Konto der ohnehin stark nachgefragten personenbezogenen Fachrichtungen Gesundheit und Pflege, Lebensmittel-, Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaften und Sozialpädagogik. In den Fachrichtungen Elektrotechnik/Informationstechnik, Metall-/Maschinentechnik etc. besteht weiterhin großer Handlungsbedarf. Die Aktivitäten der TU Dresden in Kooperation mit dem Kultusministerium und dem Landesamt für Schule und Bildung richten sich zum einen auf eine gezielte Information und Werbung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen bei Veranstaltungen der TU Dresden für Studieninteressierte, regionalen Ausbildungsmessen sowie in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit. Um zusätzliche Zugangswege zum beruflichen Lehramt zu eröffnen, werden zudem in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden neue Studienmodelle entwickelt, die sich vor allem an Abiturientinnen und Abiturienten ohne vorherige Berufsausbildung sowie an Studierende an Fachhochschulen richten (Gemeinschaftsprojekt KAtLA+).

Angesichts des hohen Lehrkräftebedarfs und der kleinen Studierendenzahlen in den gewerblich-technischen Fachrichtungen sollten möglichst alle Studienanfänger zu einem erfolgreichen Studienabschluss geführt werden. Maßnahmen, wie das seit 2017 vom Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt „TUD Mentoring – Tutoring – Coaching“ des Zentrums für Lehrerbildung (ZLSB) und der Fakultät Erziehungswissenschaften, sollen zu einer Erhöhung des Studienerfolgs in den Lehramtsstudiengängen beitragen.

Dass in absehbarer Zeit in Sachsen (und Deutschland) der Einstellungsbedarf an berufsbildenden Schulen vollständig durch grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer gedeckt werden kann, ist auch mit Blick auf die Einstellungspraxis vergangener Jahre eher unwahrscheinlich. Die Einstellung von Quer- bzw. Seiteneinsteigern ohne Lehramtsstudium gehört in berufsbildenden Schulen nicht erst in der aktuellen Situation des Lehrermangels zur Tagesordnung. Für die Qualifizierung von berufserfahrenen Personen ohne Lehramtsstudium für die Tätigkeit als Lehrkraft an beruflichen Schulen sollten deshalb dauerhafte Strukturen etabliert werden. Dies können berufsbegleitende Qualifikationen sein, wie derzeit praktiziert. Noch besser wäre aber sicherlich eine Qualifikation noch vor Aufnahme der Tätigkeit im Schuldienst.

Wir bedanken uns nochmal ganz herzlich bei den beiden Autoren Rolf Puderbach und Nelly Schmechtig (wissenschaftliche Mitarbeiter am ZLSB) für diesen sehr informativen Artikel.

 

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