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„Wie soll das jetzt gehen?“

Das Maßnahmenpaket TUD-Sylber, mit dem die TU Dresden im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern ihre Lehramtsstudiengänge weiterentwickelt, widmet sich unter anderem der Frage, wie zukünftige Lehrerinnen und Lehrer für den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft sensibilisiert und befähigt werden können. Im TUD-Sylber-Vorhaben „Heterogenität in der Lehrerbildung von Anfang an“ (HeLeA) werden, basierend auf einer umfassenden Bestandsaufnahme der Sichtweisen und Erfahrungen im Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft, geeignete Lehrveranstaltungen konzipiert und erprobt. Im Folgenden werden zunächst ausgewählte Ausschnitte von Gruppendiskussionen vorgestellt. Anschließend wird die Konzeption eines im Sommersemesters 2017 erstmals an der TU Dresden durchgeführten Seminars „Heterogenität im (Mathematik-)Unterricht: Schwerpunkt Sprache und Jahrgangsmischung“ knapp dargelegt und auf Ergebnisse eines Fragebogens im Pre-Post- Design berichtet.

Gruppendiskussionen sollen Aufschluss geben

Bislang wurden sechs Gruppendiskussionen durchgeführt, in denen kollektive Erfahrungen und Vorstellungen von Studierenden zum Umgang mit schulischer Vielfalt erörtert wurden. Befragt wurden jeweils Gruppen von Studierenden des Lehramts an Grundschulen, des Lehramts an Mittelschulen (Oberschulen) und des Höheren Lehramts an Gymnasien sowie Referendarinnen an Grundschulen. An jeder Gruppendiskussion nahmen vier bis sieben angehende Lehrende teil und unterhielten sich für 60 – 90 Minuten über ihre Erfahrungen zum Umgang mit Vielfalt im Kontext Schule und Unterricht.

Während der Gruppendiskussionen berichteten die Teilnehmenden nicht nur über ihre Erfahrungen in Praktika, sondern thematisierten auch ihre individuellen Ängste sowie Bedürfnisse und Erwartungen an die Lehramtsausbildung. Aussagen wie „Ich sehe das auch als extrem schwierig an, dann so die Balance zu finden, dass keiner unterfordert wird und keiner überfordert. Ich sehe darin eine große Herausforderung, die auf uns zukommt“ aus einer Gruppendiskussion mit Studierenden des Grundschullehramts zeigen, welche Herausforderungen die zukünftigen Lehrenden beim angemessenen Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft sehen. Auch die Studierenden des Gymnasiallehramts gehen intensiv darauf ein, wie so eine „Balance“ zwischen Unter- und Überforderung aussehen kann und welche Schwierigkeiten ihnen dies bereitet: „Also ich finde, in der Schule merkt man dieses Leistungsgefälle der Schüler und wie unterschiedlich das ist. Gerade im Fach Mathe hat man immer so diejenigen, die Bombe in Mathe sind und die, die überhaupt nichts verstehen. Und dann den Unterricht so zu gestalten, dass alle irgendwie mitkommen beziehungsweise nicht unterfordert sind, das ist schon ziemlich schwierig“.

Die angehenden Grundschullehrerinnen im Vorbereitungsdienst thematisieren den Umgang mit Heterogenität vor allem auch vor dem Hintergrund der Leistungsbewertung als sehr herausfordernd. Für die Umsetzung von individualisiertem Unterricht, da sind sich die Referendarinnen einig, müssen Wege gefunden werden, die das Arbeitspensum der Lehrpersonen nicht zusätzlich immens steigern: „Das muss man halt schaffen, ohne sich ein Bein auszureißen.“

Zudem weisen sie auf Schwierigkeiten bei der Anwendung des in der Universität gelernten theoretischen Wissens hin: „Die haben das immer in so einer großen Wolke verpackt, aber einem nie konkret gesagt und dann dachte ich in der Schule ‚Wie soll das jetzt gehen‘?“ Insgesamt wird bei allen bisher durchgeführten Gruppendiskussionen deutlich, dass die zukünftigen Lehrkräfte sich wenig vorbereitet auf den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft fühlen. Vielfalt im Klassenzimmer wird vor diesem Hintergrund vor allem als Herausforderung und Problem gesehen. Den Studierenden ist bewusst, dass jede Klasse heterogen ist und dass es verschiedene Facetten von Heterogenität gibt (Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, Leistung, sozialer Status etc.). Dies stellt sie jedoch nach eigenen Angaben vor das noch nicht gelöste Problem einer gerechten Leistungsbeurteilung. Die Studierenden und Referendarinnen sehen Heterogenität aber auch als Bereicherung und Chance für den Unterricht, doch offenbar fehlt es an konkreten Umsetzungsideen dieser Nutzbar-Machung von Vielfalt.

Lehrveranstaltungen zur Heterogenität in Klassenzimmern

Um Lehramtsstudierende für die Thematik der Heterogenität (mit dem Fokus auf sprachliche Vielfalt, Jahrgangsmischung sowie Inklusion) zu sensibilisieren, finden im Rahmen von TUD-Sylber seit dem Sommersemester 2017 Lehrveranstaltungen statt. In diesen soll der Wechsel zwischen thematischem Input durch die Seminarleitung einerseits sowie vertiefenden Vorträgen mit Praxis- und Diskussionsaufgaben für die gesamte Gruppe durch die Studierenden andererseits zu einem stärkeren Bewusstsein führen, was „Heterogenität“ im Kontext Schule und Unterricht ist und wie Vielfalt positiv genutzt werden kann. Im Laufe des Semesters ging es um Heterogenität, sprachliche Vielfalt, Inklusion, (natürliche) Differenzierung sowie Jahrgangsmischung. Begleitet wurden die theoretischen Impulse durch praktische Aufgaben, wie zum Beispiel Mathematiklehrbücher hinsichtlich sprachlicher Stolpersteine und des Potenzials nach (natürlicher) Differenzierung zu untersuchen. Zudem erhielten alle Studierenden den Auftrag, an einer Schule zu hospitieren und sich gemäß eines selbst definierten Beobachtungsfokus Notizen anzufertigen um dadurch den pädagogischen Blick zu schulen und zum Reflektieren über die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit anzuregen.

Zu Beginn und Ende des Semesters wurden die Seminarteilnehmenden mit einem schriftlichen Fragebogen um Einschätzungen gebeten. Auf die Frage „Inwiefern fühlen Sie sich (nun, nach dem Seminar) auf den Umgang mit Heterogenität vorbereitet?“, äußern viele Studierende, dass das Seminar sie für Heterogenität beziehungsweise einzelner Facetten dieser sensibilisiert hat und sie sich nun besser vorbereitet fühlen. „Ich fühle mich noch nicht sehr gut auf die Herausforderungen im Unterricht vorbereitet, hoffe aber, im Seminar zum Thema ‚Heterogenität‘ noch viel darüber zu lernen.“ schreibt eine Studentin des 6. Semesters (Lehramt Grundschule) zu Semesterbeginn. Am Ende des Semesters schreibt sie Folgendes: „Ich fühle mich etwas besser darauf vorbereitet, wobei ich vor allem dafür sensibilisiert bin, Heterogenität im Unterricht zu nutzen. Ich denke, differenzierte Angebote muss man sich als Lehrperson sowieso für jeden Themenbereich neu überlegen. Das Seminar bot dafür gute Anregungen.“ Während eine andere Studentin (ebenfalls im 6. Semester, Lehramt Grundschule) zu Semesterbeginn äußert: „Ich fühle mich nicht sehr gut vorbereitet! Die Umsetzung in der Grundschule ist das große Problem (in der Theorie wird es oft zu einfach dargestellt)“, äußert sie zum Ende des Semesters Folgendes: „Ich fühle mich insofern besser vorbereitet, dass ich aufmerksamer gegenüber dem Thema bin und die Vorteile darin sehe. Der Besuch in der Schule hat mir jedoch gezeigt, dass ich mich (noch) nicht wohl bei dem Gedanken fühle, in einer derart offenen Unterrichtsform zu unterrichten.“

Die Ergebnisse des Fragebogens verdeutlichen, dass die Mehrheit der Studierenden von einem Wissenszuwachs, ja sogar von einer Sensibilisierung für die Thematik schreibt. Zugleich wird jedoch häufig die Einschätzung geäußert, dass die tatsächliche Realisierung eines heterogenitätssensiblen Unterrichts erst in der Praxis gelernt werden kann. Um den Praxisanteil in den zukünftigen Seminaren zu erhöhen, sind vermehrt Hospitationen sowie eigene Unterrichtsversuche im Rahmen des Seminars geplant. Mithilfe eines semesterbegleitend anzufertigenden Portfolios sollen die Studierenden zudem fortwährend angehalten werden, über ihre Erfahrungen und die Seminarinhalte zu reflektieren. Um die Sicht angehender Lehrkräfte mit der Sichtweise bereits praktizierender Lehrkräfte zu vergleichen, sind in den nächsten Schritten des Projekts Gruppendiskussionen mit berufstätigen Lehrenden geplant. In diesen wird sich herausstellen, inwiefern praktische Berufserfahrung zu einer anderen Sicht auf die vielfältige Schülerschaft beiträgt.

Für die Vorstellung des Teilprojektes möchte ich mich ganz herzlich bei den Autorinnen Elisa Bitterlich und Judith Jung, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der Professur für Grundschulpädagogik/Mathematik an der TU Dresden, bedanken.

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