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Neue Wege in der Lehrerbildung

In der Lehrerbildung geht das Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung der Universität Leipzig mit der wissenschaftlichen Ausbildung von Lehrkräften neue Wege. Zum einen eröffnet die berufsbegleitende wissenschaftliche Ausbildung Seiteneinsteigern einen neuen Zugang in den Lehrerberuf. Zum anderen werden seit Beginn des Wintersemesters 2019/2020 wesentliche Ausbildungsteile in Zwickau durchgeführt. Lesen Sie, welche ambitionierten Ziele sich mit dem neuen Standort verbinden und wie sich der Alltag von Seiteneinsteigern in der Qualifizierungsphase gestaltet.

An Sachsens größter Lehrerausbildungsstätte in Leipzig besuchen seit vier Jahren nunmehr nicht nur Abiturienten Vorlesungen und Seminare. Derzeit sind an der Universität Leipzig auch 500 Lehrkräfte immatrikuliert, die zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Berufslaufbahn entschieden haben, Lehrerin oder Lehrer in Sachsen zu werden. Die sogenannten Seiteneinsteiger studieren je nach Schulform berufsbegleitend an zwei Tagen in der Woche ein Fach, die Grundschuldidaktiken oder einen Förderschwerpunkt. Dafür sind in einem straffen Studienprogramm von mindestens vier Semestern, Module zu absolvieren, Seminararbeiten zu schreiben, Referate zu halten und Klausuren zu bestehen. Alles zusätzlich zu den Verpflichtungen des Schulalltages, der keine Rücksicht auf Semesterinhalte und Prüfungsleistungen nimmt. Die Kolleginnen und Kollegen erhalten hierfür zwar sechs Abminderungsstunden, diesen stehen aber 16 Semesterwochenstunden Präsenz in den Lehrveranstaltungen und etliche Stunden im Selbststudium gegenüber.

Im Rahmen der feierlichen Exmatrikulation fassen Kristina Wermes und Robert Russ in der Abschlussrede das Studium zusammen: „Viele verschiedene Inhalte geballt in so wenig Zeit. Oft genug rauchte uns der Kopf und es fiel schwer, den Schalter am Mittwochabend von Schule auf Uni umzulegen und am Sonntagabend wieder zurück. Gleichzeitig war es ein unglaublicher Gewinn, all die neuen Erkenntnisse immer auch in der Praxis zu erproben.“ Doch wie haben die Absolventen die Anforderungen gemeistert? Kristina Wermes antwortet: „Wir haben alle hart und kontinuierlich gearbeitet. Es war stets akkurates Zeitmanagement, welches uns zum Abschluss gebracht hat. Das hieß jedoch nicht nur gut organisiert zu sein in der Doppelfunktion Lehrerin/Studierende, nein. Es bedeutete Zeit mit Familie, Freunden, Zeit für Interessen und Hobbies zurückzustellen und auf das Studium und den Job umzulegen. Wir alle sind privat etwas kürzergetreten. Doch was mir stets geholfen hat: Ich war dabei niemals allein! Ich habe in diesem Studium Bande geknüpft, die mich getragen haben und die noch lange halten werden! Es sind nicht nur Bande privater Natur, ich fühle mich auch als Lehrerin gut vernetzt, habe viele neue Ansprechpartner gewonnen. Ich habe einmal mehr gelernt, dass Lehrer zu sein bedeutet, zusammenzuarbeiten.“

Die Studierenden kommen aus ganz Sachsen und sehen sich zum Teil mit sehr langen Fahrtstrecken konfrontiert. Ein Absolvent berichtet: „Für mich als Klassenlehrer der Grundschulklassen 3 und 4 war das wAL-Studium (Anm. d. R.: wAL– wissenschaftliche Ausbildung von Lehrkräften) insgesamt eine sehr hohe zusätzliche Belastung, da ich vom Vogtland nach Leipzig und zurück circa 280 Kilometer Wegstrecke zurücklegen musste! Abfahrtsbeginn vom Wohnort war stets 6.30 Uhr und nach über zwei Stunden Fahrtzeit erfolgte die Ankunft in der Messestadt. Nach dem Ende der Vorlesungen und Seminare um 16.45 Uhr ging es mit dem Auto zurück und die Ankunft belief sich, je nach Verkehrslage, auf ca. 19.00 Uhr. Zwölf Stunden und länger am Tag unterwegs zu sein, erforderte eine enorme zusätzliche Konzentration, einen sehr hohen Zeitmehraufwand und bedeutete oftmals eine Überschreitung der Belastungsgrenze bei nicht zuletzt auch finanziellen Einbußen.“

Die hohen Belastungen eines Studiums neben dem Beruf sind an der Universität Leipzig bekannt und werden in den Semesterplanungen bestmöglich berücksichtigt. So werden die Ferienzeiten abweichend zum akademischen Jahr als Erholungs- und Urlaubszeit von Lehrveranstaltungen und

Prüfungszeiträumen freigehalten. In Bezug auf Studienanforderungen besteht jedoch deutlich weniger Spielraum, verpflichtet sich die Universität Leipzig doch den inhaltlichen Ansprüchen der Lehramtsprüfungsordnung (LAPO I) und der Qualifizierungsordnung für Lehrkräfte (QualiVO-Lehrer). „Ziel aller zu absolvierenden Qualifizierungsbausteine ist die Gleichstellung als Lehrkraft in Sachsen. Die inhaltlichen Standards der Lehrerbildung sind daher indiskutabel“, sagt Dr. Jürgen Ronthaler als Projektleiter. Er ergänzt: „Ziel, Inhalte und Prüfungsleistungen haben wir in den regulären Studiendokumenten der Universität Leipzig dargestellt. Die Studien- und Prüfungsordnungen sowie die ausführlichen Modulbeschreibungen ergänzen die Studienablaufpläne und sind ein Qualitätsmerkmal der Ausbildung.“

Seit dem Wintersemester 2019/2020 sollen sich zumindest für Lehrkräfte aus dem Raum Zwickau die Fahrzeiten zum Ausbildungsort verkürzen. Hierfür wurde in Kooperation mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau die Möglichkeit eröffnet, am Campus Scheffelstraße die wissenschaftliche Ausbildung für Seiteneinsteiger an Grundschulen zu absolvieren. Ziel soll es sein, die Studienbedingungen zu verbessern. Eine Stimme aus der Studierendengruppe in Zwickau reflektiert die ersten Studienmonate wie folgt: „Als wAL-Studierende aus dem südlicheren sächsischen Raum bin ich über die Regelung, die Seminare an der Westsächsischen Hochschule Zwickau durchzuführen, sehr zufrieden. Ich sehe darin auch eine kluge politische Entscheidung, den strukturärmeren Raum zu stärken und somit positive Signale zu setzen.“

Das Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung versteht den neuen Ausbildungsstandort in Zwickau als einen Piloten in der Regionalisierung der Lehrerbildung. Reagiert wird mit der außergewöhnlichen Maßnahme auf den Lehrermangel, insbesondere im ländlichen Raum. „Perspektivisch wollen wir Lehrkräfte dort aus- und fortbilden, wo sie gebraucht werden“, fasst Dr. Ronthaler, Geschäftsführer des ZLS, die Zielrichtung der Dezentralisierung zusammen. Das sächsische Kultusministerium plant eine zusätzliche Ausschreibung der berufsbegleitenden Qualifizierung für Lehrkräfte an Grundschulen am Standort Zwickau. Interessierte Seiteneinsteiger können sich ab Januar 2020 auf die im Schulportal und Ministerialblatt veröffentlichte Ausschreibung bewerben. Noch pendeln Dozierende der Universität Leipzig nach Zwickau, um die Seminarinhalte zu gestalten. Bis zum Sommersemester 2020 sollen aber Lehrkräfte aus der Region gewonnen werden. Hierfür sucht das ZLS noch interessierte Honorardozierende, die neben Erstem sowie Zweitem Staatsexamen über Lehrerfahrungen an Grundschulen verfügen und Interesse an einer Weitergabe ihres Wissens an Seiteneinsteiger haben.

Bewerbungen sind am ZLS herzlich willkommen:

Bewerbung.zls@uni-leipzig.de

Vielen Dank an SUSAN LÖFFLER, Mitarbeiterin im Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung der Universität Leipzig, für diesen ausführlichen Bericht.