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Lektürearbeit im Lateinunterricht – alles andere als langweilig!

Das Übersetzen vom Lateinischen ins Deutsche stellt durch die hohe Komplexität für zahlreiche Schüler*innen eine große Herausforderung dar und kann sich dabei für diese zu einer äußerst mühsamen Angelegenheit entwickeln. So ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Lateinschüler*innen gerade das Übersetzen als eintönig und langwierig empfinden. Dies mag sicher eine der vielen Gründe für den kontinuierlichen und erheblichen Rückgang an Lateinschüler*innen seit dem Schuljahr 2009/2010 sein. Um das Fach in die nächsten Jahrzehnte zu bringen, ist es daher dringend notwendig, dass Studierende, Lehrkräfte und die Fachdidaktik diesem Trend nach Kräften entgegenwirken und das Übersetzen für Schüler*innen interessanter gestalten.

Ein konzeptuell gut geeignetes Konzept für die Umsetzung dieser Grundidee ist die Verlagerung von Unterrichtszeit und Bewertungsgewicht, welche für die Übersetzung verwendet wird, zugunsten von Dekodierung und Interpretation, beispielsweise im Verhältnis 1:2 oder 1:3. Für einen dementsprechend gestalteten Lektüreunterricht insbesondere für die Sekundarstufe I wurden Broschüren geschaffen, welche auf dem Thüringer Schulportal[1] allen Interessierten kostenlos zur Verfügung stehen. Bei den Broschüren wird davon ausgegangen, dass die Schüler*innen das Textverständnis nicht nur durch Übersetzung, sondern auch durch die Bearbeitung entsprechender Aufgaben zum Text generieren können. Dabei sind die Broschüren besonders für Partner- und Gruppenarbeit, aber auch für Einzelarbeit geeignet, wobei die Lehrkraft dabei eine unterstützende Funktion bei Fragen und Problemen hat. Die Broschüren sind zudem so angelegt, dass die Lernenden in ihrem eigenen Tempo zu einer tiefgründigen Beschäftigung mit der Botschaft, dem Inhalt und den Figuren des Textes gelangen können.

Durch eine Studie zu eben dieser Broschürenreihe, welche im Jahr 2021 als Teil meiner Staatsexamensarbeit durchgeführt wurde und Befragungen von 7 Lehrkräften und 97 Schüler*innen einschloss, konnte herausgefunden werden, dass die weite Mehrheit der befragten Schüler*innen angab, durch die Arbeit mit den Broschüren ein gleich gut ausgeprägtes oder sogar besseres Textverständnis im Vergleich zur Übersetzung entwickelt zu haben. Begründet wurde dies unter anderem mit den Hintergrundinformationen, welche in den Broschüren enthalten sind. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Broschüren auch für Homeschooling und Wechselunterricht tendenziell geeignet sind, was gerade in Zeiten der Corona-Pandemie oder bei Krankheit der Lehrkraft einen Vorteil darstellt. Die Studie bestätigte außerdem, dass die Motivation bei vielen Lernenden im Zeitraum der Broschürenbearbeitung höher als sonst üblich war, da die Arbeitsweise als Abwechslung zum normalen Unterrichtsgeschehen gesehen worden ist.[2]

 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeit mit den Broschüren einen interessanten und abwechslungsreichen Lateinunterricht hervorbringen kann, sofern die Broschürenarbeit mit Übersetzen abgewechselt wird. Entgegen der Kritik einiger Lehrkräfte, dass bei der Broschürenarbeit das Textverständnis zu kurz kommen könnte, wurde in den Auswertungsgesprächen der Studie deutlich, dass vielen Schüler*innen eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema des jeweiligen Textes durch die Broschüren ermöglicht worden ist. Daher sind sie tendenziell dazu geeignet, die Motivation von Schüler*innen für das Fach Latein zu steigern bzw. neu zu entfachen und gleichzeitig die Lektürearbeit voranzubringen. Zu guter Letzt ist noch festzuhalten, dass die Broschüren in der Fachdidaktik Latein ein Nachdenken darüber angeregt haben, wie man die Monokultur der Übersetzung aufbrechen kann, was einen großen Schritt für den Fortbestand des Faches bedeuten kann.

Anita Schink

[1] Link zu den Broschüren: https://www.schulportal-thueringen.de/sprachunterricht/alte_sprachen

[2] Die genauen Ergebnisse zur Studie zum Nachlesen finden Sie hier.